Die Mammolshöhe
Die Mammolshöhe (Kurzfassung)
Um die Jahrhundertwende 18./19. Jahrhundert wurde Mammolshain zum begehrten Wohnziel reicher Frankfurter Bürger, die sich hier ihre Sommervillen bauten. Die Villa Jacquet war um 1890 erbaut worden und schon wenige Jahre später in das Eigentum des reichen Kunsthändlers May aus Frankfurt, übergegangen. Daher kommt der Name "Villa May".
Um 1922 kaufte der Holländer Steenkamp den ganzen Besitz auf.
Steenkamp ging Konkurs und der Bezirksverband Wiesbaden, heute Landeswohlfahrtsverband Hessen, kaufte das Haus mitsamt dem ausgedehnten, 4 Hektar großen Park und baute die Villa May ab 1926 zur Klinik um.
Hier wurden Tuberkulosekranke behandelt, die wegen dem hervorragenden Klima bald gute Genesungs - Fortschritte machten.
Seit 1965 trat dank der ärztlichen Erfolge eine stark rückläufige Belegung ein.
Die Klinik wurde geschlossen und diente Anfang der 80er Jahre als Asylbewerber - Unterkunft. Bei einem Großbrand am 31. Dezember 1986 wurde die „Villa May“ stark beschädigt.
Nach der Jahrhundertwende wurde die Mammolshöhe vom LWV an einen Bauträger verkauft, sämtliche Gebäude abgerissen und nach und nach ein neues Baugebiet erstellt.
Bilder der alten Mammolshöhe
Die Kinderheilstätte "Mammolshöhe"
Die Mammolshöhe
aus dem Buch „Mammolshain- Königsteins Fenster nach Süden“ von Pfarrer Karl-Wilhelm Bruno
In einem wunderschönen Park, ehemals ein Teil des Mönchwaldes, liegt die Heilstätte Mammolshöhe. Sie gehört dem Landeswohlfahrtsverband Hessen und nimmt an Tuberkulose erkrankte Kinder, vom Säuglingsalter bis zu sechzehnjährigen Jugendlichen, auf. Mammolshain mit seinem milden Reizklima, seiner gesunden Luft und seinem Waldreichtum ist wie geschaffen für Kranke, die an Tuberkulose, zumal an Lungentuberkulose leiden. Der Anblick des großen Haupthauses (Haus A) entgeht keinem, der die Kronthaler Straße herauf kommt und in scharfer Rechtskurve in die Straße Am Mönchwald einbiegt.
Eigentlich beginnt die Geschichte der Mammolshöhe mit der schon eingangs zitierten Novelle von Rudolf G. Binding. Offensichtlich hatte man schon früh erkannt, dass das Dorf bei Lungenleiden besonders günstige klimatische Voraussetzungen für den Heilungsprozess bietet.
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Das Haupthaus der Mammolshöhe wird von den Mammolshainern heute noch oft „Villa May" genannt. Das hat folgende Bewandtnis. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts wurde, wie schon erwähnt, Mammolshain zum begehrten Wohnziel reicher Frankfurter Bürger, die sich hier ihre Sommervillen bauten. Die Gemeinde bot ihnen großzügig Baugelände in ihren Waldstücken Am Haideplacken, wo die Familie Blaschek ihre Villa errichtete, und Am Mönchwald an. Auf dem Baugelände zwischen den Straßen Am Kirchberg (Kirchhohl) und Am Mönchwald (damals Königsteiner Straße, auch Vicinalweg nach Königstein genannt) haben in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mehrere private Steinbrüche gelegen. Als 1896 von der neu gebauten Königsteiner Straße ein Straßenanschluß zur „Villa Jacquet jetzt May" verlegt wurde, da wird erwähnt, dass diese Seitenstraße auch zum „Besitztum Becker" führte, das in einem Haus oder Steinbruch bestand. Herr Becker erhob gegen diese neue Straßenanbindung Einspruch. Die Sache wurde so geregelt: Die Einfahrt vom Vicinalweg zur Villa May wurde mit einem Tor abgeschlossen. Herr Becker und seine Rechtsnachfolger erhielten einen Schlüssel dazu. Dieses Recht wurde ins Stockbuch eingetragen. Die Villa Jacquet war um 1890 erbaut worden und schon wenige Jahre später in das Eigentum seines Schwiegersohnes, des reichen Kunsthändlers May aus Frankfurt, übergegangen. Um 1922 kaufte der Holländer Steenkamp den ganzen Besitz auf.
Anfang 1926 suchte der Landesrat Otto Witte vom Landeswohlfahrtsamt für Nassau, Bezirksverband Wiesbaden (heute zum Landeswohlfahrtsverband Hessen gehörend), eine eigene Klinik für tuberkulosekranke Kinder und Jugendliche zu gründen. Bei einem Besuch Mammolshains erfuhr er von einem Einwohner, dass die „Villa May" wegen Konkurses des Eigentümers zum Verkauf anstünde. Der Bezirksverband Wiesbaden kaufte das Haus mitsamt dem ausgedehnten, vier Hektar großen Park aus der Konkursmasse Steenkamp. Bereits am 6. April 1926 wurde mit dem Umbau und Ausbau der Villa May zur Klinik begonnen. Mit der Belegung des Hauses, das 80 Betten für kranke Kinder erhielt, wurde bereits Ende Februar 1927 begonnen.
Die feierliche Eröffnung der Mammolshöhe, wie die neue Klinik genannt wurde, fand am 12. Juli 1927 statt. Landeshauptmann Dr. Lutsch konnte bei dieser Gelegenheit 100 geladene Gäste begrüßen. In seiner Ansprache legte er die Gründe dar, warum man eine eigene Kinderheilstätte errichtet hatte. Durch die Unterernährung als Folge der Kriegs- und vor allem der Nachkriegsjahre hatte die Tuberkulose in Deutschland stark zugenommen. Die Unterbringungsmöglichkeiten für Kranke aber waren beschränkt. Für die kranken Kinder standen nur die Kliniken in Davos, Scheidegg und Weilmünster zur Verfügung. Oft dauerte es viele Monate, bis ein Platz für ein krankes Kind frei wurde.
Nach der Eröffnungsrede führte Landesrat Witte die Gäste durch das neue Haus, auf dem die schwarz-rot-goldene Fahne neben der blau-orangenen Fahne (Nassauer Farben) wehte. An diesem Tag waren bereits alle 80 Betten mit kranken Kindern belegt. Neben dem Haupthaus bestanden schon die Wirtschaftsgebäude, das Waschhaus und eine Liegehalle. Die Presse wurde gebeten, die Bevölkerung Mammolshains zu beruhigen; es bestehe für sie keine Ansteckungsgefahr. Die Einweihung schloss mit einem gemeinsamen Mittagessen im „Frankfurter Hof" in Kronberg.
Von Anfang an hatten Rote Kreuz-Schwestern die Pflege übernommen. Sie übten sie bis 1955 aus. Als erste Oberschwester wirkte auf der Mammolshöhe Schwester Hertha, als erster Chefarzt Dr. Hauff. Bald nach der Einweihung wurde mit der Errichtung des B-Hauses für 40 Kinder, die an ansteckender Tuberkulose litten, begonnen. Dieses Haus war 1928 fertig gestellt. Nun konnte die Mammolshöhe 120 Kinder aufnehmen.
1928 hatte die Mammolshöhe einen Durchgang von 269 Kindern, ein Jahr später von 341 Kindern. Jetzt war die Kinderheilstätte schon so bekannt, dass nicht alle Kranken aufgenommen werden konnten, und das, obwohl damals noch keine Möglichkeit zur Aufnahme und Behandlung von Kindern mit Knochen- und Gelenktuberkulose bestand.
Die Kinder auf der Mammolshöhe wurden und werden nicht nur ärztlich und pflegerisch hervorragend betreut. Seit Juli 1927 wurde für sie vierzehntägig ein evangelischer Gottesdienst im Haus gehalten. Die Rektoren der Ursulinen in Königstein übernahmen die Betreuung der katholischen Kinder. Mit Ausnahme der Jahre 1939 bis 1945, in denen das Abhalten von Gottesdiensten verboten war, finden auf der Mammolshöhe bis heute regelmäßig Gottesdienste statt und wird Religionsunterricht für beide Konfessionen gehalten. 1928 wurde der Wirtschaftssaal (Tanzhaus) der ehemaligen Gaststätte Reus Oberstraße 19 erworben und als Spielsaal für die fieberfreien Kinder eingerichtet. Als solcher wird er noch heute genutzt. Eine bedeutende Verbesserung wurde 1950 mit der Errichtung einer Heimschule (Sonderschule) erreicht. Der erste Lehrer, Herr Wittlich, ist auf dem Mammolshainer Friedhof beerdigt. Die Heimschule wurde 1951 vom hessischen Staat als Sonderschule anerkannt. Viele Kinder werden von den Lehrern am Bett unterrichtet. Die Schule wird heute geleitet von Frau Bielski. Neben ihr unterrichten die Damen Seel, Bender, Billard und Herr Simonsen. Zu der seelsorglichen und schulischen Betreuung kommen die Feste, die mit den Kindern und für die Kinder gehalten werden. Besonders beliebt sind das jährliche Sommerfest (an dem sich auch viele Mammolshainer Einwohner beteiligen) und die Weihnachtsfeier.
Wiederum bedingt durch den Krieg und die Jahre der Unterernährung nach 1945 stieg die Zahl der an Tuberkulose erkrankten Kinder stark an. 1949 bis 1969 hatte die Heilstätte eine durchschnittliche Jahresbelegung von 220 Kindern. So musste man ein drittes Haus, das C-Haus für die Mädchen, bauen. Dieser neue Krankenpavillon konnte im August 1965 erstmals belegt werden. Er hatte 1,3 Millionen DM gekostet. Dazu kamen noch 130000,— DM für die Inneneinrichtung. Der Neubau mit seinen 2- bis 3-Bett Zimmern war mehr als Auflockerung denn als Erweiterung der Mammolshöhe gedacht. Nun lagen im A-Haus, der ehemaligen Villa May, die seit 1926 noch öfters umgebaut, erweitert und aufgestockt worden war, die Jungen; im B-Haus die Kinder mit ansteckender Tuberkulose; im C-Haus die Mädchen.
Daneben gibt es zwei Arzthäuser, das 1962 fertig gestellte Schwesternhaus, das Personalhaus Am Wacholderberg, das Personalhaus an der Oberstraße 19 (die ehemalige Gaststätte Reus), eine Waschküche und die Gärtnerei.
Von 1947 bis 1954 wirkte Professor Dr. Werner Catel als Chefarzt auf der Mammolshöhe. Als Nachkomme einer Hugenottenfamilie in Köln geboren, dort und in Halle an der Saale aufgewachsen, hatte er, bekannter Leipziger Pädiater, Direktor der Universitätskinderklinik und Inhaber eines Lehrstuhls, im Dezember 1946 aus der russischen Zone fliehen müssen. In seinem Buch „Leben im Widerstreit, Bekenntnisse eines Arztes" (Verlag Glock und Lutz, Nürnberg, 1974) hat er ein Kapitel „Auf der Mammolshöhe" überschrieben. „Die Heilstätte", so heißt es am Ende des „Flucht-Kapitels, „liegt in einem prächtigen Park, der unmittelbar in einen großen Obstgarten übergeht, am sonnigen Südhang der Taunusberge, dicht oberhalb des Dorfes Mammolshain. Nach Süden schaut das Auge in die weite, fruchtbare Ebene des Mains mit Maronenhainen und weithin sich erstreckenden Obstplantagen, nach Osten verweilt der Blick auf dem alten Städtchen Kronberg mit roten Ziegeldächern und dem ragenden Schloss, hinter dem unmittelbar der Altkönig emporsteigt, dessen Gipfel ein frühgermanischer Steinwall wie eine Halskette umschließt — jener Berg, von dem Diotima nur mit Unmut geschrieben hat, wenn sie von Frankfurt zu ihm hinüberschaute." Und dann folgt als Auftakt des Mammolshöhe - Kapitels die erste Besichtigung des Chefarzt-Hauses, das am Ende des Parks „inmitten eines terrassenförmig zur Hauptstraße des Dorfes sich senkenden Gartens" steht:
„Seit Tagen wehte ein warmer Südwind weich und perlend von der Mainebene herauf und umschmeichelte die felsigen Hänge des Taunus. Er hatte früher als der Jahreszeit entsprach den jungen Saft in Stauden und Bäumen steigen lassen. Ich stand auf der Terrasse vor dem weinstockumkränzten Haus, das meine Lebensgefährtin mit mir bewohnen würde. Die Floribundarosen, die die Steinplatten umsäumten, trugen schon zarte Knospen. Am Spalierobst dahinter entfalteten sich sogar bereits die weißen Blüten. Die beiden Flügeltüren, die vom Mittelzimmer zur Terrasse führten, waren weit geöffnet, die Morgensonne wärmte den hellen Raum. Ich ging durch das leere Haus, die Stiege hinauf zum oberen Stock, überrascht von der Farbstimmung über der Ebene, die wie ein Gemälde von Whistler im Frühdunst verschleiert lag. In der nach Norden gebauten Küche stand ein eiserner Herd, eine freundliche Hand hatte unter ihm duftende Kiefernscheite gestapelt. Mein Herz schlug in froher Erwartung."
Auch von seinem ärztlichen Wirken berichtet Prof. Catel eingehend. „Während meiner ärztlichen Tätigkeit in der Heilstätte wurde im Schmerzensbuch der Tuberkulose zum ersten Mal ein helles Blatt aufgeschlagen." Er setzte das von Gerhard Domagk entwickelte Thiosemikarbazon mit Erfolg ein. Es folgte das von dem Amerikaner Waksman aus einem Pilz gewonnene Streptomyzin, und die operative Therapie tuberkulöser Erkrankungen wurde in diesen Jahren auf eine neue Grundlage gestellt. So mußte ein besonderer Operationsraum und ein weiterer für orthopädische Maßnahmen eingerichtet werden. Als Chirurg wurde Joseph Kastert, Chefarzt eines Sanatoriums in Bad Dürkheim, herangezogen. Außer ihm kamen noch zahlreiche andere Ärzte als Gäste zur Mammolshöhe. Zitieren wir zum Abschluss noch das Mammolshainer Garten-Idyll, wie es vielen aus den ersten Nachkriegsjahren erinnerlich sein wird:
„Mein Salär war gering. Es reichte nicht für die vielen notwendigen Anschaffungen im Hause. Aber der große Garten, richtig bewirtschaftet, würde etwas beitragen. Wir gruben und hackten gemeinsam, rodeten Unkraut, säten, pflanzten und ernteten. In dem milden Klima reiften herrliche Äpfel und Birnen, Mirabellen, Pflaumen und Renekloden, Pfirsiche, Süßkirschen und schwärzlich-rote Schattenmorellen. In die Reihen eines zur Dorfstraße sich neigenden Feldes senkten wir Hunderte junger Erdbeerpflanzen, andere Flächen nutzten wir zum Anbau von Erbsen, Busch- und Stangenbohnen, Tomaten und Tabakstauden, deren getrocknete Blätter in damaliger Notzeit sehr begehrt waren. Im späten Sommer war der grasige Boden unter dem weithin schattenden Nussbaum trotz der räubernden Eichkätzchen bedeckt mit den herb duftenden Steinfrüchten. Wenn der Herbst kam, war die hohe Zeit des Erntens. Dann füllten wir die aus streifigen Holzspänen geflochtenen Körbe mit den buntfarbigen Früchten und trugen sie zur Sammelstelle im Dorf. Häufig waren es so viele, dass ich sie dorthin auf einem geliehenen Handkarren durch die holprige Dorfstraße mühsam hinaufschieben musste."
Link zu Wikipedia "Werner Catel" und ein Link zu nationalsozialistischen Euthanasie Morden.
Von Mammolshain aus wurde Prof. Catel 1954 an die Universitäts-Kinderklinik nach Kiel berufen. Auf der Mammolshöhe folgte ihm als Chefarzt ab 1. März 1955 Dr. Martens, der zuvor als Oberarzt an der Kinderheilstätte in Agra in der Schweiz gewirkt hatte. Unter seiner Leitung wurden das neue Schwesternhaus und das C-Haus gebaut sowie eine moderne Röntgeneinrichtung angeschafft. Dr. Martens starb unerwartet am 19. Oktober 1965 und ist auf dem Friedhof in Mammolshain beerdigt. Sein Nachfolger als Chefarzt ist Medizinalrat Dr. Saame, der zusammen mit Oberarzt Dr. Seel und Frau Dr. Gersch die Heilstätte seitdem vorbildlich leitet.
Die Kinderheilstätte Mammolshöhe ist heute eines der modernsten Häuser des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen. Der Altbau, in dem die alte Villa May als der mittlere Teil erhalten ist, besitzt einen Operationsraum, Röntgenraum, Raum für Orthopädiemaßnahmen und ein klinisches Laboratorium. Bereits 1962 konnte man Heilerfolge von 98°A verzeichnen. Seit 1965 trat dank der ärztlichen Erfolge eine stark rückläufige Belegung ein. 1974 war die Mammolshöhe nur noch mit durchschnittlich 65 Kindern und Jugendlichen belegt. Alle Patienten sind zur Zeit im A-Haus untergebracht. Das B-Haus, das schon seit einigen Jahren leer steht, soll als Zentralapotheke eingerichtet werden. Das C-Haus, das seit 1973 nicht mehr belegt ist, soll als Internatsschule für Angestellte des Landeswohlfahrtsverbandes benutzt werden.
Die Mammolshöhe hat sich unter tüchtigen Ärzten, aufopferungsvollen Schwestern (heute arbeiten dort viele Schwestern von den Philippinen), dem geschickten Verwaltungsdirektor Stieglitz und guten Lehrern einen angesehenen Namen in Hessen und über die Grenzen des Landes hinaus erworben, denn sie nimmt auch Patienten aus Berlin und viele kranke Kinder von Gastarbeitern auf. Sie gehört zu Mammolshain, das stolz auf diese Einrichtung sein kann.