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Das Mammolshainer Wappen

Das Ortswappen von Mammolshain wird im Hessischen Ortswappenbuch (Demandt/Renkhoff 1956) wie folgt beschrieben: „In Silber ein von waagerechtem schwarzen Pfeil durchbohrtes rotes Herz, daraus wachsend fünf Blumen: abwechselnd rote Tulpen und blaue Blumen mit grünen Stengeln und Blättern.
So das Gerichtssiegell in Mammolshain1696 (Abdr. 1707, Sgst. Erhalten). Das einst eppsteinsche Dorf hat seit 1581 zu Kurmainz gehört; die Farben sind in erster Linie im Hinblick auf diese beiden Herrschaften ergänzt. Nachdem der Ort 1802 an Nassau gefallen war, hat man das Wappen auch in die Gemeindesiegel übernommen, wobei die fünf Blumen sämtlich als Tulpen gestaltet wurden“.
Derartige Siegel wurden gemeinhin vom Landesherren verliehen. Ob dies auch für Mammolshain zutrifft, ist bisher nicht nachgewiesen. Wahrscheinlich haben wir es hier mit einem Siegel zu tun, wie es vom 17./18. Jh. an in vielen Gemeinden der Dorfrichter oder der Schulze führten. Jene Siegel zeigten, neben Wappenbildern von Gutsherren, häufig einfache Symbole der ländlichen Umwelt.
Das durchbohrte Herz, aus dem Blumen sprießen, könnte auf eine Herkunft aus dem pietistischen Zeitalter hindeuten. Die evangelisch kirchliche Reformbewegung des Pietismus hatte, von englischen Vorbildern inspiriert, Anfang des 17. Jahrhunderts in den Niederlanden festen Fuß gefasst. Von dort sind immerhin Neusiedler nach Mammolshain gekommen. Interessant in diesem Zusammenhang aus Grimms deutschem Wörterbuch (Leipzig 1877): „Herzpfeil. Der hl. Geist macht aus allen Worten lauter Herzpfeile“.
Im Herzen vermutete man einst den Sitz der Lebenskraft und der Seele. Das bestätigten z.B. die im 12. Jh. Aufgekommenen Herz-Jesu-Gebiete. Manche Anschauungen vom Herzen als dem Sitz der Liebe und der Weisheit tauchen ebenso im Herz-Jesu-Kult auf. Auch hat man den sog. Herzstich-Zauber in die Worte gekleidet: „… ich stech das Herz, das ich Liebe“. Im niederländischen Liebeszauber wiederum begegnet der Stich an der Herz-Aß-Karte. So mischen sich hier Komponenten des Aberglaubens und der Religion. Vgl. Handwörterbucher zur Deutsch. Volkskunde, Abt. I, Bd. 3. Berlin/Leipzig 1930/31).
Mit ein wenig Phantasie könnte man bestimmte Blumen im Mammolshainer Gerichtssiegel von 1696 (Siegelst. Im Hauptstaatsarchiv Wiesbaden; Abdruck im Stadtarchiv Königstein) als Rosen betrachten. Wie K. W. Bruno in seiner Ortsgeschichte schreibt, fungierte nach 1693 ein Caspar Ros als Schultheiß; ihm folgte Joh. Georg Ros nach. Die genannten Blumen könnten ohne weiteres eine Anspielung auf diesen Familiennamen gewesen sein und demnach als „redende“ Zeichen gelten, für die solche Bezüge typisch sind. Allerdings muss auch dieser Deutungsversuch Annahme bleiben, denn es fehlen die Beweise.
Die angeblich nach dem Übergang an Nassau in Tulpen umgestalteten Blumen mit dem gepfeilten Herzen zieren auch das Gemeindsiegel während der Preußenzeit (1866-1945). So gingen sodann in das nach dem Zweiten Weltkrieg benutzte Siegel ein.
Im Mammolshainer Wappen, im Hess. Ortswappenbuch veröffentlicht, aber wohl mangels Antrag von Seiten der Gemeinde amtlich nicht festgestellt, kehrt das sinnige Bild mit seinen Geheimnissen schließlich in leuchtenden Farben wieder. Es schadet ihm gewiss nicht, dass aus zwei Tulpen blaue Blumen geworden sind.
Aus: „Königsteiner Woche“ vom 21.11.80. (zurück zur Startseite)
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